Reconstruction of the Berlin Royal Castle – Humboldt-Forum
Leitidee:
Das Humboldt-Forum in Berlin wird - im doppelten Sinn des Wortes - ein Ort von zentraler Bedeutung werden.
Nicht nur die Lage auf dem Grundriss des ehemaligen Stadtschlosses, am Nukleus der mittelalterlichen Stadt, sondern auch die inhaltliche Ausrichtung des Humboldt- Forums als Museum für außereuropäische Kultur und Ort der Bildung und Forschung stellen eine spannende Herausforderung für den Entwurf und den Betrieb des Hauses dar.
Das Humboldt-Forum hat die Chance, ein Ort der Aufklärung und Integration zu werden.
Die Themen:
„Geschichte, Tradition, Gemeinsamkeiten der Kulturen, Vergangenheit, Erinnern“
„Zukunft, ferne Länder, andere Kulturen und Einflüsse“
lassen sich kaum anschaulicher und lebendiger gestalten als an dieser Stelle.
Die Besonderheit des Humboldt-Forums verbirgt sich in der Geschichte des Ortes. Auf der Fischerinsel ist die politische Geschichte Berlins und Deutschlands ebenso verwurzelt, wie der Geist der Aufklärung, Forschung, Bildung und das Fernweh nach anderen Kulturen.
Die Leitidee für den Entwurf des Humboldt-Forums haben wir auf den Begriffen Geist des Ortes und Entdeckungslust aufgebaut.
Geist des Ortes und Entdeckungslust sind zwei Begriffe, anhand derer wir den Umgang mit den historischen Schichten wie auch den Charakter des neuen Hauses deutlich machen können.
Es geht um das größte, öffentliche Gebäude der Bundesrepublik, das der Kunst und dem Austausch der Kulturen gewidmet ist.
Form und Inhalt
Auch wenn das Humboldt-Forum in dem Volumen des ehemaligen Stadtschlosses und mit Teilen der rekonstruierten Fassade errichtet wird, entsteht ein völlig neuer Ort, an dem sich die Kulturen der Welt begegnen können. Hier wird im Geiste von Wilhelm und Alexander von Humboldt ein Forum für Forschung, Veranstaltung und Bildung auf höchstem internationalem Niveau zur Verfügung gestellt.
In der dialektischen Auseinandersetzung mit dem Thema Humboldt-Forum/Schloss haben wir folgende Prämissen herausgearbeitet:
- Weiterentwicklung auf Grundlage der ehemaligen Strukturen, also Geschosshöhen und Kubatur
- Klare Trennung zwischen historisch rekonstruierten und neuen Bauteilen
- Fuge zwischen der Kubatur des ehemaligen Eosanderhofes und dem eingestellten Volumen des Museums.
Entwurfshaltung zum Thema Rekonstruktion/Neubau:
Das Für und Wider der Rekonstruktion der historischen Schlossfassade ist nicht Bestandteil des Wettbewerbs. Der demokratische Beschluss des Bundestages bildet die Grundlage für diesen Entwurf.
Wir halten es allerdings für sehr wichtig, dass auch im Innern des Gebäudes zwischen rekonstruierten und modernen Fassaden unterschieden werden kann. Die für die historischen Fassaden charakteristischen, enormen Wandstärken wollen wir zeigen, wobei die entstehenden Konstruktionsräume nicht ausgemauert werden, sondern für die Lüftungstechnik der Ausstellungsräume genutzt werden. Die rekonstruierten Fenster werden als eine Einheit mit den modernen, thermisch getrennten Fenstern, dem Sonnen- und dem Blendschutz als natürlich belüftete Kastenfenster geplant, um den Anforderungen des Museums wie auch dem historischen Vorbild gerecht zu werden.
Die neue Fassade der Bibliothek und der fachwissenschaftlichen Bereiche öffnet sich mit großen Fenstern zur Spree. Ein- und Ausblicke manifestieren den öffentlichen Charakter des neuen Gebäudeflügels. Die Fenstergliederung der neuen Fassaden orientiert sich an den historisch rekonstruierten Fassaden und komplettiert selbstverständlich das Volumen des ehemaligen Schlosses.
Die Hoffassaden sind introvertiert und werden auf ein Spiel von offenen und geschlossenen Flächen reduziert und durch eine horizontale Profilierung an die historischen Fassaden angebunden. Hier überwiegt jedoch der Anspruch an ein modernes Museum, dessen Fassaden im Dialog zu den historischen Fassaden treten.
In dem Entwurf werden vier verschiedene Zeitschichten integriert:
- Die archäologischen Fenster
Als einzig wahrhaft historische Fragmente werden Teile der Fundamente des ehemaligen Schlosses frei gelegt und im Bereich der Sonderausstellung für die Besucher erlebbar gemacht. - Die historische Schicht
Hierzu gehören die historischen Fassaden mit ihrer Materialität der Wandflächen und den historischen Fenstern, die als massive Vorwandkonstruktion in den Museumsbaukörper integriert werden. - Die neue Schicht
Das ist der überwiegende Teil des Hauses. Hier unterscheiden wir die Bereiche, die wir als Interpretation entlang der historischen Vorbilder entwickelt haben, nämlich die Spreefassade und die Kuppel sowie die eigenständigen neuen Bereiche, also den neuen Eosanderhof und das Innere des Hauses. - Die Zwischenschicht
Als Zwischenschicht bezeichnen wir die historischen Innenräume, die wir in die Ausstellungsflächen integrieren wollen. Diese Innenräume sollen wie „Gipsabgüsse“ ihrer historischen Vorbilder wirken. Die abstrahierten, historischen Innenräume werden Orte der Ruhe und der Erinnerung innerhalb der Ausstellung, die den historischen Raumproportionen und dem Relief folgen und teilweise mit historischen Fragmenten oder Bodenbelägen ergänzt werden.
Das selbstverständliche Nebeneinander der historischen Schichten ist ein integraler Bestandteil des Humboldt-Forums. Vergangenheit und Gegenwart sind genauso ablesbar wie die Geschichte des Ortes und die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen.
Städtebauliches Entwurfs- und Nutzungskonzept:
Der Baukörper des Schlosses war und wird wieder der bestimmende Solitär in der Mitte der Stadt. Gemäß unserer Leitidee, den Geist des Ortes zu würdigen und Raum für Forschung, Bildung und die außereuropäischen Kulturen zu schaffen, schlagen wir vor, das Volumen des ehemaligen Schlosses in wesentlichen Bereichen wieder zu errichten.
Von der lang gestreckten großzügigen Eingangshalle, die als das Portal II und das Portal IV verbindet, werden alle Bereiche des Humboldt-Forums erschlossen. Dieser Eingangsbereich mündet in der AGORA, die mit der 30m hohen, Licht durchfluteten großen Halle zum prägenden Eindruck für die Besucher wird. Entlang der abgesenkten Gärten verbindet die natürlich belichtete Agora unter dem Schlüterhof den Ostflügel an der Spree mit dem Mittelflügel des Museums.
Während die Museumsnutzungen symmetrisch um den Eosanderhof angeordnet werden, befinden sich die Bibliotheken, fachwissenschaftlichen Funktionen und Veranstaltungsräume am Schlüterhof bzw. im östlichen Flügel an der Spree.
Durch die Anforderungen des Raumprogramms aber auch durch die Interpretation der historischen Figur sind für die neuen Gebäudeteile ganz eigenständige Lösungen entstanden, von denen wir fünf wesentliche Bereiche herausheben wollen:
- Schlüterhof
Komplettierung der historischen Figur mit der neuen Fassade des Mittelflügels, dem Eingangsbauwerk für das Humboldt-Forum. - Ostflügel oder Apothekerflügel
Der Ostflügel erhält eine zur Spree hin gestaffelte Fassade, die wir aus der Überlagerung der historischen Gliederung des Baukörpers und der schräg zum Gebäude verlaufenden Uferkante entwickelt haben. Mit dieser gestaffelten Gliederung schaffen wir eine Kleinteiligkeit, die an die mittelalterlichen Teile des Schlosses erinnert.
Die Funktionen sind übereinander geschichtet. Veranstaltungsräume, Agora und Cafe sind im Spreegeschoß und EG angeordnet, die Bibliothek im 1. OG mit Leseräumen an der Neugierde gegenüber dem Dom, Verwaltung und Fachwissenschaftliche Bereiche orientieren sich ab dem 1. OG um die Innenhöfe, die nicht nur für natürliche Belichtung und Belüftung sorgen, sondern auch zum Verweilen einladen. - Spreeufer
Großzügige Treppenanlagen und Plateaus führen von der Straßenebene auf die abgesenkte Spreeebene. - Eosanderhof
In den Eosanderhof werden mit einer Fuge von vier Metern Breite zwei neue Museumsflügel eingestellt. An dieser Stelle findet die stärkste neue Setzung gegenüber der historischen Raumfigur statt. Die Fuge zwischen der historischen Raumgrenze des Eosanderhofes und den neuen Ausstellungskuben dient der Belichtung und Orientierung im Haus.
Aufgrund der Anforderung an unterschiedliche Raumhöhen der Ausstellungsflächen werden die niedrigeren Räume über drei Obergeschosse entlang der historischen Fassade und die höheren Räume über nur zwei Obergeschosse an den neuen Fassaden des Eosander Hofes angeordnet. - Kuppel, Kapelle
Unter der Kuppel wird ein Raum von besonderer Prägung entstehen. An dieser Stelle, an der sich ehemals die Kapelle des Schlosses befand, wird die Galerie der Weltkunst präsentiert. Aus dem Rundgang der Ausstellung im 3. OG tritt der Besucher in den beeindruckenden 35 m hohen Kuppelraum, der über eine Galerieebene im 4. OG verfügt, von der aus der Besucher den Blick über die Dächer der Stadt streifen lassen kann. Für diesen herausragenden Raum haben wir optional eine externe Erschließung vorgesehen, so dass hier zum Beispiel ein Empfang oder Apéro mit kleinem, gastronomischem Angebot stattfinden kann.
Die neu errichtete Kuppel wird zum Wahrzeichen des Humboldt-Forums.
Der berühmte Postkartenblick von der Schlossbrücke auf die historische Fassade wird durch die Kuppel gekrönt.
Auch wenn die Kuppelform der historischen Silhouette entspricht, ist sie doch völlig anders aufgebaut. In ein sphärisch gewölbtes, orthogonales Gitternetz sind im Wechsel transluzente Lichtbänder und geschlossene Felder eingefügt. Die Anordnung der Lichtschlitze nimmt die Fluchten der historischen Fensterachsen auf. Durch dieses geometrische Spiel zwischen historischer Form und moderner Interpretation entsteht eine ausgeglichene und spannungsreiche Raumskulptur die aus der Vergangenheit in die Gegenwart und Zukunft verweist.
Nachhaltigkeit:
Das Humboldt-Forum verstehen wir als Leuchtturm-Projekt für nachhaltiges Bauen, bei dem die wesentlichen Konzepte der ökologischen Qualität, der ökonomischen Qualität, der soziokulturellen sowie funktionalen Qualität, der technischen Qualität, der Prozessqualität und der Standortqualität, wie sie auch für die Gebäudezertifizierung für das Deutsche Gütesiegel für Nachhaltiges Bauen entwickelt werden, umgesetzt werden sollten. Als ganz wesentlich erachten wir dabei die Ausrichtung auf die Langlebigkeit der Konstruktionen und ihr Adaptionsvermögen auf im Laufe der Zeit sich wandelnde Nutzungsansprüche. Dem wird nach unserer Auffassung der vorgeschlagene konventionelle Massivbau am ehesten gerecht, er steht darüber hinaus konzeptionell im Einklang mit dem historischen Vorbild. Ferner orientiert sich der Entwurf am Leitfaden für Nachhaltiges Bauen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.
Ökologie:
Auch für die Ökologie verfolgen wir die für die Gebäudezertifizierung für das Deutsche Gütesiegel für Nachhaltiges Bauen entwickelten Mindeststandards. Alle zur Verwendung geplanten Materialien sind umweltverträglich, langlebig und größtenteils aus einheimischen, überwiegend mineralischen Ausgangsstoffen herstellbar. Die Herstellung erfolgt ohne Zusatz von schädlichen Mitteln und mit geringem Energieverbrauch. Bei erforderlichen Umbauten können die Baustoffe nahezu vollständig wieder verwendet oder in den Rohstoffkreislauf zurückgeführt werden.
CREDIT LIST
Architect: Jan Kleihues
Office: Kleihues + Kleihues Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin
Staff: Götz Kern, Philipp Zora as well as Aline Calmet, Marko Dietrich, Helmuth Homm, Nina Imhof, Anna Liesicke, Robert, Litzrodt, Sascha Maruhn, Tomislav Pogacic, Philip Schreiber, Julius Störmer, Amon Streck, Gabriela Torres Ruiz
Structural Engineering: HMI Hartwich / Mertens / Ingenieure, Berlin
Light Planning: Kardorff Ingenieure Lichtplanung, Berlin
Fire Protection: Büro für Brandschutz, Wuppertal
Mechanical Services: HL-Beratungs- und Beteiligungs-GmbH, München
Traffic Planning: Freie Planungsgruppe Berlin GmbH, Berlin
Landscape Architecture: ST Raum A Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH, Berlin
Facade Planning: Mosbacher + Roll Beratungs- und Planungsgesellschaft für Fassadentechnik mbH, Friedrichshafen