Vöhlinschloss
Sanierung eines mittelalterlichen Wohnturms in Frickenhausen im Unterallgäu
Mitten in dem beschaulichen Pfarrdorf Frickenhausen im Unterallgäu liegt der ortsbildprägende Bau des Vöhlinschlosses. Für eine zukünftige Wohnnutzung wurde das denkmalgeschützte Bauwerk von Kern Architekten umfassend in einer hohen Qualität instandgesetzt. Bei der sensiblen und nachhaltigen Sanierung wurde größter Wert gelegt auf den Erhalt der historischen Ausstattung und Oberflächen. Gleichzeitig wurden neue additive Elemente ergänzt, die den Bestand weiterentwickeln und in die heutige Zeit überführen. Eine halböffentliche Nutzung im Erdgeschoss schafft zudem eine kulturelle Begegnungsstätte im ländlichen Raum. Mit dem Einsatz ursprünglicher Handwerkstechniken und natürlicher Materialien entsteht ein Ort, der alte Spuren wertschätzt und die Neuen bewusst sichtbar lässt.
Geschichte
Das Vöhlinschloss wurde 1492 von der Handels- und Patrizierfamilie Vöhlin erbaut. Die gut erhaltene historische Bausubstanz macht das Gebäude zu einem einzigartigen Baudenkmal von nationaler Bedeutung. Der dreigeschossige Satteldachbau besitzt je einen Rundturm an der Südost- und Nordwestecke. Als wehrhafte, freistehende Anlage mit dicken Mauern entstanden, erhielt das Bauwerk im 18. Jahrhundert zwei Zwerchhäuser an beiden Traufseiten. Im ersten Obergeschoss befindet sich im Flur eine bauzeitliche Bohlen-Ständerwand und bauzeitliches Fachwerk. Der sogenannte Rittersaal mit einer Rokoko-Stuckdecke liegt im ersten Dachgeschoss.
Maßnahmen
Nach umfangreichen denkmalgerechten Voruntersuchungen erfolgte die statische Instandsetzung und Ertüchtigung mittels Erweiterungen der Fundamente sowie Ringanker und einem Stahl-Sekundärtragwerk. Alle Sanierungsmaßnahmen wurden unter der Prämisse der material- und handwerksgerechten Ausführung umgesetzt. Ausschließlich natürliche Materialien wurden dabei verwendet. Die notwendigen Auswechslungen der bauzeitlichen Hölzer wurden durch exakte Lokalisierungen so minimal gehalten wie möglich. Analog zum Bestand wurden diese querschnittgleich mit historischen Verbindungen ausgeführt.
Weniger ist mehr. Bei der Sanierung wurden ausschließlich natürliche Materialien, einfache Bauweisen und solides Handwerk eingesetzt. Industriell vorgefertigte Produkte wurden bewusst vermieden, stattdessen setzte man konsequent auf regionale Rohstoffe:
· Sand aus Frickenhausen
· Selbstgelöschter Sumpfkalk aus Altmannstein
· Fichtenholz aus dem Sachsenrieder Forst
· Handgeschlagene Lehmbodenziegel aus Oberbayern
· Eichenholz aus den Esterhazyschen Wäldern
· Nagelfluh aus Brannenburg
„Wir haben bei der Sanierung des Vöhlinschlosses ganz auf Regionalität gesetzt. Selbst die Bäume für das Holz haben wir im Wald mit ausgewählt.“
Anna Kern, Architektin und Partnerin Kern Architekten
„Die Sanierung dieses wertvollen Denkmals war eine große Herausforderung. Nur im Miteinander mit Handwerkern und Fachplanern konnten wir mit deren Erfahrung und besonderem Engagement das Vöhlinschloss sanieren. Hinzu kamen unser Mut und unsere Neugier, neue Wege im experimentellen Bauen zu gehen.“
Sebastian Heinzelmann, Architekt und Partner Kern Architekten
Entscheidend für die gelungene Sanierung war die enge Zusammenarbeit mit Handwerker:innen, deren Wissen und Expertise eine zentrale Rolle spielten. Der Bauprozess war stark praxisorientiert und experimentell, wobei weniger theoretische Konzepte, sondern vielmehr das direkte Ausprobieren und Anwenden vor Ort im Mittelpunkt standen. Die Beschäftigung mit traditionellem Handwerk geht Hand in Hand mit einer nachhaltigen Bauweise, bei der natürliche Materialien und einfache Techniken eingesetzt werden, um hochwertige Räume zu schaffen. Das Resultat ist ein Ort, der Geschichte bewahrt und zugleich zukunftsfähig weiterentwickelt wird. Das Projekt wurde mit dem Denkmalpreis Schwaben 2024 und dem 1. Preis des Bundespreis für Handwerk in der Denkmalpflege 2023 ausgezeichnet.
„Wir sind überzeugt, dass sich in der Arbeit mit Denkmälern ein großes Wissen verbirgt, von dem auch innovative Bauweisen profitieren können. Wiederverwendung und ein ressourcenschonender Umgang waren in der Vergangenheit ganz selbstverständlich.“
Anna Kern, Architektin und Partnerin Kern Architekten