Firestation Pucking-Hasenufer
Gutes für schlechte Zeiten.
Die Kassen sind leer. Diese Botschaft kommt nicht überraschend. Neu hingegen ist unser Selbstverständnis, in Zeiten des Mangels zu leben. Um der Spirale aus gedrückter Stimmung und ausbleibendem Aufschwung etwas entgegenzusetzen, drehen wir die Medaille der gefühlten Bedürftigkeit kurz um: Nennen wir den Umgang mit dem dünner werdenden Strom der Mittel nicht zaghaft, sondern verantwortungsvoll, und schauen wir uns an einem einfachen Beispiel an, ob wir vom Verlust der wirtschaftlichen Sorglosigkeit nicht auch profitieren können.
Die oberösterreichische Marktgemeinde Pucking etwa ist eine von vielen recht ähnlich anzusehenden österreichischen Landgemeinden. Durch ein hervorragend ausgebautes Straßennetz bestens an den wirtschaftlich maßgeblichen Zentralraum angebunden, ist Pucking für Betriebe und Eigenheimbesitzer gleichermaßen attraktiv. Nicht der ursprüngliche – immerhin noch lebendige – Ortskern prägt das Bild der Gemeinde, sondern die verblüffende Gestaltungsvielfalt der entlang der L563 ausgestreuten Gewerbebauten und Lärmschutzwände, hinter welchen, offenbar unverdrossen, Wohnhäuser in Deckung gehen.
Diesem Umfeld zeigt das in Grieskirchen ansässige Büro Wolf Architektur anhand eines Feuerwehrhauses, wie man öffentlichen Raum ohne den geringsten Verlust an eigenem Nutzen ordnen kann. Der Neubau, der nur aufgrund der Zusammenlegung zweier Standorte seitens der Aufsichtsbehörde genehmigt wurde, erhebt sich, um die Tiefe eines geräumigen Vorplatzes zurückgesetzt, mit seinem Herzstück, der Fahrzeughalle, parallel zur Straße. An die nordöstliche Ecke setzt der Schlauchturm ein eindeutig lesbares Zeichen; im Westen verleiht ein zweites Geschoß den Einsatz- und Vereinsräumen das gebührende Gewicht. Darüber hinaus wird die Zufahrt von einem frei gestellten Pavillon markiert, in dem die Künstlerin Anneliese Schrenk ein historisches Feuerwehrfahrzeug in Szene gesetzt hat. Die Parkplätze für die Privatautos der Feuerwehrleute säumen die Kante dahinter und die von der Straße abgewandte Längsseite des Hauses.
Diese nicht zuletzt dem Ortsbild wohltuende Ordnung von Gebäude und Außenanlagen setzt sich im Inneren des Gebäudes fort. Sie basiert auf den gründlichen, im Vorfeld eines geladenen Architektenwettbewerbes angestellten Überlegungen der Feuerwehr zu ihren eigenen funktionalen Anforderungen. Die in allen Details durchdachte Wegführung unterstützt im Einsatzfall zweifelsfreie Kommunikation und rasches Handeln; sie erleichtert aber auch die Wartung der Anlage, sie wirkt sich positiv auf das Vereinsleben aus, und sie spart viel Geld. Denn Wolf Architektur hat weit mehr als die bloße Umsetzung des gegebenen Organisationskonzeptes geleistet. Das Haus kommt nahezu ohne Erschließungsflächen aus, besitzt jedoch dank einer Vielzahl kleiner Abweichungen vom Gewöhnlichen eine Nutzungsqualität, die mit den streng begrenzten Budgets des Genres üblicherweise nicht erreicht wird. Gleichzeitig hat Wolf Architektur aus der Verdichtung der Abläufe und ihrer Übersetzung ins Gebaute erheblichen gestalterischen Mehrwert gezogen.
Die bedingungslose Funktionalität der Anlage findet in einer ebenso konsequent durchgehaltenen Komposition geometrisch einfacher Körper ihre Entsprechung. Die Verbindung zwischen Außen und Innen wird durch Einschnitte gekennzeichnet, die das Volumen gliedern. So werden die sieben gläsernen Tore der Fahrzeughalle durch das vom Schlauchturm bis zur Einsatzzentrale reichende Vordach beschirmt, die Glasfassade des Schulungsraumes ist einer Dachterrasse zugeordnet, und auch der Haupteingang im Einschnitt an der Südwestecke des Gebäudes wird durch seine Lage ebenso geschützt wie zeichenhaft hervorgehoben. Die Einsatzzentrale darf mit einem über die Ecke geführten Fensterband deutlich sichtbar über Vorplatz und Fahrzeughalle wachen. Weniger prominente Räume wie Büros oder Werkstätten müssen auch belichtet und belüftet werden.
Doch hier bescheidet man sich mit Fenstern, die hinter gelochten Feldern in der feingliedrigen Trapezblechfassade mehr zu ahnen als zu sehen sind. Wolf Architektur hat einige Energie aufgewendet, um handelsübliche Produkte wie die Metallverkleidung aus der Banalität ihres sonst üblichen Einsatzes zu lösen. Die Ausbildung der Belichtungsfelder in der Fassade, aber auch die Detaillierung der Ecken und Anschlüsse, hat ebensowenig Mehrkosten verursacht wie die vom Architekturbüro hartnäckig verfolgte unsichtbare Leitungsführung in der aus unverkleideten Betonfertigteilen und Trapezblechen konstruierten Fahrzeughalle.
Dieser Umstand und wohl auch die Sicherheit, mit den eigenen, vorwiegend auf Funktionalität ausgerichteten Anliegen ernst genommen zu werden, hat die Bauherrschaft dazu bewogen, Wolf Architektur in Gestaltungsfragen auf ein in ähnlichen Zusammenhängen unübliches Niveau zu folgen. Ob Sichtbeton und schwarze Holzwerkstoffplatten nun eher dank ihrer asketischen Anmutung oder doch aufgrund ihrer wartungsfreien Robustheit überzeugen, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Der allem vorangegangene Entschluss der Gemeinde Pucking, die Aufgaben der Bauherrschaftselbst wahrzunehmen und nicht bei einem gewerblichen Bauträger abzuladen, hat das fruchtbare Zusammenspiel von Nutzern und Planern jedenfalls begünstigt und vieles ermöglicht, was anderswo mit einem „das haben wir noch nie so gemacht“ abgeschmettert wird.
Das mag der Ankauf einer speziellenWaschmaschine für die Einsatzkleidung, der Bau eines Platzes zum – übungsweisen – Abfackeln von Autowracks oder die Errichtung eines Schlauch- und Übungsturmes gewesen sein; aber auch der „Luxus“ eines Eingangsbereiches, der die ihm eingeschriebene Verknüpfung aller Wege in lichte Großzügigkeit zu fassen versteht. So verfügt die Freiwillige Feuerwehr Pucking-Hasenufer und mit ihr die Gemeinde Pucking nun über ein Haus, das den Geboten der Sparsamkeit gerecht wird, ohne seinen kulturellen Anspruch preiszugeben: Einsätzen, Schulungen und Übungen wird eine reibungslos funktionierende Bühne und der Gemeinschaft inspirierender Raum geboten. Mehr muss ein Gebäude auch in guten Zeiten nicht leisten.
(Text: Romana Ring "Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2015, Fotos: Markus Fattinger)